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Zwischen Stuhl und Bank – der OKB-Hauptsitz im Dorf Sarnen

Text von Monika Imhof-Dorn zum Abbruch des Anbaus des ehemaligen OKB-Hauptsitzes

Am 31. Juli 1967 eröffnete der von Max Mennel geplante neue Hauptsitz der OKB als Anbau an das Bankgebäude von 1909 – mit Flachdach, Fensterbändern und Betonverkleidung – inmitten von Mauerwerkbauten, verschindelten Dorfhäusern auf Mauersockeln und allesamt mit Steildächern – die Nachkriegsmoderne war im Zentrum von Sarnen angekommen. Mit dem Übereckeingang, welcher die Kundschaft gleichermassen von der Bahnhof- und der Brünigstrasse in die Schalterhalle zog, und mit den je seitlich auf Augenhöhe in die Betonlamellen des durchlässigen Sockels eingefügten angrenzenden Schaufensterbändern, welche Einblick ins Obwaldner Wirtschaftsgeschehen boten, zeigte sich Obwalden aufgeschlossen gegenüber der Zeitströmung. Da die Wirtschaft in diesen Jahren heisslief, musste der Baubeginn zur Konjunkturdämpfung sogar um ein Jahr aufgeschoben werden.

Einige Jahre später, nach den 68er-Unruhen und dem Erdölschock, wurde bilanziert und neben dem Gewinn an Wohlstand wurden auch die Verluste benannt. Diese Verluste wurden in Publikationen wie «Bauen als Umweltzerstörung. Alarmbilder einer Unarchitektur der Gegenwart» (Zürich, 1973) dargestellt. Mit «Unarchitektur» waren Bauten vom Zuschnitt des neuen OKB-Hauptsitzes gemeint.

Nach Mitte der 1980er Jahre begann die Inventarisierung der Ortsbilder der Schweiz in Obwalden, welche 1991/92 mit der Publikation des Buches «ISOS, Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz, Ortsbilder von nationaler Bedeutung Obwalden und Nidwalden» abgeschlossen wurde. Darin wird der Neubau des Hauptsitzes der OKB als «an den Altbau angebauter, überdimensionierter Erweiterungstrakt» und das Ortsbild «störend» bezeichnet.

Nach der Nachkriegsmoderne kam die Postmoderne, dann der Regionalismus, die Sensibilisierung bezüglich Energieverbrauch von Bauten etc. Ende der 1980-erJahre dürfte es immer noch schwierig zu vermitteln gewesen sein, dass ein Flachdachbau mit Waschbeton-Elementen kein Schaden für ein Ortsbild darstellt. Aber wie es so ist, es kommt das Revival der Fifties, der Sixties, der Seventies… Wenn Mutter ihre Kleider aus dieser Zeit doch nur aufgehoben hätte…

In einigen Gegenden der Schweiz werden die kantonalen Denkmalinventare laufend überarbeitet und der zwischen 30 und 50 Jahre alte Baubestand bezüglich der besten Bauten ihrer Zeit begutachtet; sie enthalten teilweise Bauten bis zur Jahrtausendwende. Inventarisiert ist wohl, aber die Unterschutzstellungen hinken hinterher. Und die Überarbeitung des ISOS, dessen letzter Band erst um 2015 publiziert wurde, hat erst zaghaft begonnen. So haftet dem Anbau von 1967 bis zu seinem Abbruch das Etikett «störend» an. Aus wirtschaftsgeschichtlicher Sicht jedoch könnte es durchaus als ikonisches Gebäude betrachtet werden, welches im ländlichen Kanton für die wirtschaftliche Entwicklung steht, die den nicht mehr in gleicher Zahl in der Landwirtschaft benötigten Personen Arbeit und Verdienst gebracht hat.

Für eine wohlwollende Beurteilung wäre auch seine Gestaltung hervorzuheben: Die gegenüber dem Fensterraster um die Hälfte versetzte Achsensetzung der Waschbeton-Elemente stellt eine gestalterisch ungewöhnliche Variation einer Vorhangfassade dar und nimmt darüber hinaus mit der expressiven Eckausbildung als halbes Kreuz ein universelles Architekturthema auf, welches auch die traditionellen Strickbauten mit Blockvorstössen kennzeichnet.

1991/92 erfolgte eine Gesamterneuerung durch Christoph Mennel, bei welcher unter anderem der Eingang als 24-Stunden-Zugang zu den Bankomaten umgestaltet wurde. Aber bereits Anfangs 2000 genügte das Gebäude der wachsenden Bank nicht mehr, durch das Hochwasser 2005 wurde es zusätzlich beschädigt und verlor dadurch die Chance auf eine Neubewertung. Einerseits wurde das ISOS seit den 1980er Jahren nicht mehr aktualisiert, und andererseits kann die Denkmalpflege gegen den Abbruch eines als «störend» bezeichnetes und seitens der Eigentümer abgeschriebenes Gebäude wenig ausrichten.

Mit seinem Abbruch ist nicht nur ein Zeitzeuge des Aufschwungs und des Zukunftsoptimismus, sondern auch ein das Ortsbild prägendes Gebäude unwiederbringlich verschwunden.

 

Architektur: Max Mennel (Anbau 1967), Christoph Mennel (Gesamterneuerung 1991/92)
Abbildungen: zVg